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Auszug aus der Rede von Erwin Miedtke zur Bremer Buchpremiere "DerElefant!" am 9. März 2010 im Wallsaal der Zentralbibliothek Bremen

…Der Untertitel "Bilder – Gedichte - Dokumente zum Anti-Kolonialdenkmal in Bremen" weist klar den Weg zu Inhalt, Gestaltung und Konzeption des Buches, das sich bewusst nicht einfach einordnen lässt in die Kategorien: Sachbuch, Katalog, Dokumentation, Gedichtband, Fotoband – es ist nämlich etwas von allem…

Beim Elefanten, dem steinernen Denkmal hinter dem Bremer Hauptbahnhof und gegenüber dem Hermann-Böse-Gymnasium gelegen, handelt es sich um ein steinernes Zeugnis, um ein öffentliches Erinnerungszeichen, um ein Denkmal, das mit seiner Existenz und Aussage zugleich unsere kulturelle Identität berührt sowie den Umgang mit unbequemen und brisanten Fragen und Wahrheiten.

Gegenstand des Buches "Der Elefant!" ist die künstlerisch-wissenschaftliche-politische Auseinandersetzung mit diesem "artefact trouvée" und ordnet sich ein in den Kontext "Kunstaktion als Denkmalkritik"…

Ausgangspunkt für dieses Verfahren ist für die Autoren des Bandes als kritisches Moment die Einordnung der gesellschaftlichen und politischen Funktion dieses Denkmals, das unkommentiert heute nur noch ein fragwürdig gewordenes Bauwerk wäre – dagegen wurden kritische Erinnerungskultur und Antithesen gestellt, um bis heute wirkende hartnäckigen Mythen aufzuzeigen und diese auch in unserer Wahrnehmung zu entlarven.

Dazu finden sich im Buch die entsprechenden Dokumente sowohl vom Verein "Der Elefant e.V." als eben auch die von politischen Vertretern, die sich seit vielen Jahren um die Neubewertung der historischen Tatsachen bemüht haben. Enthalten ist auch die Expertise des Bremer Landesamtes für Denkmalpflege zum kulturhistorischen Wert und eben auch der Letter of Intent des Gymnasiums an der Hermann-Böse- Straße, das im Logo den Elefanten hat - als Symbol gegen Kolonialismus hat.

Gemeinsam mit all diesen Stimmen positionieren sich die drei Hauptautoren Inge Buck, Rudolph Bauer und Michael Weisser mit ihren jeweils speziellen künstlerischen Mitteln gegen die jede kolonialromantische Verklärung der durchaus bis heute unterschwellig wirkenden Ikonen von "Weißen Herren", "Schwarzen Dienern" und "Wilden Tieren" und kommen mit ihren Bildern und Versen zu einer aktuellen Deutung der Geschichte durch eine neue Kontextualisierung und die gezielte Inversion – also der ideologischen Umkehrung – der kolonialgeschichtlichen Intention. Das bedeutet, sich über die Wirkung des Denkmals klar zu werden, über die Kolonialgeschichte Bremens und Deutschlands zu debattieren sowie sich unserer heutigen Verantwortung bewusst zu werden.

Michael Weisser stellt sich in einer ganzheitlichen Betrachtung des Themas mit seinen Fotografien vom Standbild, das er in der Gesamtaufnahme aus ganz verschiedenen Perspektiven zeigt, und den herausgearbeiteten baulichen Details des Monuments sowohl den ästhetischen Momenten - besonderes eindringlich für den Betrachter zu erfahren in den bereits erwähnten seriellen Fotosequenzen – als auch der partiell beschädigten Oberfläche – ich denke hier an die gezeigten Salpeterausscheidungen aus den Mauerfugen, für die Rudolph Bauer dann mit der Titelzeile seines Gedichts die Worte findet: "elefanten weinen salzige tränen"...

Auch Inge Buck fasst das Thema um vieles weiter und um - dichtet den Elefanten mit Verszeilen, die sowohl Variationen des Motivs Elefant als auch die Mehrschichtigkeit der historisch-politischen Dimension aufzeigen. Der Elefant wird bei ihr zum "Wanderer aus Urwelten" zum Jagd- und Zootier, zum Beobachter, zum steinernen Zeugen, der die schwere Last der Geschichte abwerfen möchte, um "zur Elefantensuite zu tanzen und für seine Brüder in der Steppe um Regen zu bitten"…

(Erwin Miedtke, Bibliotheksdirektor, stellv. Leiter der Stadtbibliothek Bremen)

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