In: Elisabeth Meyer-Renschhausen u. Anne Holl (Hrsg.)
Die Wiederkehr der Gärten.
Kleinlandwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung.
Innsbruck (Studienverlag) 2000

"Zwischen Glücksinsel, Observation und Planungsvertreibung. Eine Recherche aus den Bremer Kleingärten."

In vielen europäischen Ländern richtete man zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf unkultiviertem Boden in unmittelbarer Nähe der Städte Armengärten ein als "Hilfe zur Selbsthilfe". In dieser Tradition steht auch die Kleingartenbewegung vor dem Ersten Weltkrieg in Bremen. Dennoch war das Leben auf der Parzelle immer schon mehr als nur wirtschaftliche Notwendigkeit, sie war "Glücks- und Rettungsinsel".

Mit der Machtergreifung der NSDAP geriet der selbstgeschaffene Freiraum der Parzellenbewohner zunehmend ins Visier staatlicher Observation. Seit dem Frühjahr 1933 wurden auch die deutschen Kleingärtner gleichgeschaltet, sie mussten blut- und bodenbewusst anpflanzen und sich in die "Erzeugerschlacht" einreihen.
Das Kleingartengebiet in Bremen blieb jedoch während der NS-Zeit immer auch der andere, der subversive Ort antifaschistischen Widerstands, wo Flugblätter geschrieben, Druckerpressen vergraben wurden, Verfolgte zeitweise Unterschlupf fanden.

Waren die Bremer Kleingärten während des Krieges immer auch Orte des praktischen Überlebens, so wurden sie nach dem Krieg Zuflucht für Flüchtlinge und Ausgebombte, Heimat- und Wohnungslose, gesetzlich geschützt durch einen Erlass des Bremer Bürgermeisters Kaisen, der das Wohnen in den Gartenlauben legalisierte. Da dieses Wohnrecht der sogenannten "Kaisenbewohner" jedoch ausschließlich personenbezogen war und mit dem Tod oder Wegzug endete, verfügten die Stadtplaner über die gesetzliche Handhabe, den Flächennutzungsplan nach Bedarf umzusetzen.
Mit der "Planungsvertreibung" werden nicht nur ökologisch wertvolle Kleingartengebiete vernichtet und selbstgeschaffene Lebens- und Wohnräume zerstört, sondern auch der Lebenszusammenhang, vielfach auch der Lebenssinn den Menschen entzogen.

[zum Seitenanfang]