Inge Buck

OKTOBERLICHT
Gedichte

Fotografien
Phil Porter

In den Gedichten von Inge Buck geht es um die Erfahrung von Zeit, es geht um Ausfahrt und Abschied, um Erinnern und Vergessen zwischen Frühling und Sommerende, zwischen Oktoberlicht und Winterstille. Und immer ist der Ruf der Krähe zu hören, im Schlaf, wenn Traum und Wirklichkeit ineinander fließen.

In den Gedichten von Inge Buck werden Geschichten erzählt: vom alten Haus, das verkauft wird, vom Blinden, der den Atem der Nacht hört, von Michel de Montaigne, der sich aus allen Ämtern zurückzieht, um zu schreiben, von Robert Walser in der Anstalt Herisau, der auf einsamen Spaziergängen sich im Schnee verliert. Lebensgeschichten gleiten vorüber, als ob die Zeit nie gewesen. Erst wenn wir vergessen, wird daraus eine Geschichte.

Der Fluss der Zeit durchzieht die Texte, verdichtet sich im Augenblick zur angehaltenen Zeit, in der Schönheit der Welt sichtbar wird in den Geduldsfäden einer Spinne, in der herbstlichen Verfärbung des Laubs, in der Dauer eines Vogelflugs, im Wellenschlag, im Takt einer alten, mechanischen Schreibmaschine.

Die minimalistischen Schwarz-Weiß-Bilder des Künstlers und Fotografen Phil Porter korrespondieren mit den Gedichten, ohne zu illustrieren, sie leuchten eine Welt des scheinbar Unscheinbaren aus, imaginieren Orte, erschaffen Wahrnehmungsräume für die Vorstellungskraft des Betrachters.


• TAZ NORD 04.07.2014

Die Beharrliche

Dass die große alte Dame der Bremer Lyrikszene eine Sprachmelodie hat, die dezent zwischen schwäbisch und ostfränkisch oszilliert, zeigt Zweierlei: Die Kultur des calvinistischen Bremen lebt noch immer von Zuwanderung aus dem Katholischen. Und: Inge Buck hat sprachliche Qualitäten, die sich überall durchsetzen.

Die beweist sie zum wiederholten Mal in einem Band, der "Oktoberlicht" heißt, aber Mitte Juli vorgestellt wird. Ist das die subtile Art, in der zeitgenössische Lyrik auf den Klimawandel reagiert? Tatsächlich reflektiert Buck in einigen ihrer Texte das Aufweichen der Jahreszeiten. Doch beim Erscheinungsdatum hat sie sich eher den Verlagsbedürfnissen angepasst. Sie war eine der ersten Bremer Autorinnen, die den von Madjid Mohit gegründeten Sujet Verlag unterstützten. Der iranische Asylbewerber begann mit dem Druck von Pizzaflyern, heute ist er Bremens wichtigster Verleger unter anderem für Lyrik - nicht zuletzt dank Inge Buck.

Buck mag Beharrlichkeit, Widerständiges. Ihr Stil ist konzentriert, teils stenografisch bis hin zur Stichworthaftigkeit - und trifft dennoch ganze Stimmungs- und Lebenswelten. Etwa die des Dichters Montaigne, der erst nach einem fast tödlichen Reitunfall zu schreiben begann. Buck taucht tief in Biografien ein, wie die der 116-jährigen Japanerin Misao Okawa, deren Leben sie zu einem intensiven Achtzehnzeiler kondensiert.

Bucks Heimat ist flach wie die hiesige Tiefebene, nur 600 Meter höher gelegen. Das Hohenloher Land, durch das sie in ihren Texten mit ihrem betagten Vater wandert: "Ich brauche keinen Stock", sagt der, "das ist was für alte Leute." Da war er bald 101. Bis dahin hat seine Tochter noch ein Vierteljahrhundert. Sie wird Krähen bewundern und Kakteen gießen. Und tief eindringende Texte schreiben.

Henning Bleyl


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